Nach langem Hin und Her hat die spanische Regierung am Dienstagabend beschlossen, die Ausgangsbeschränkungen im Rahmen der Corona-Krise zu lockern. So ist es einem Elternteil ab kommendem Sonntag, 26.04. wieder erlaubt, mit ihren Kindern an der frischen Luft spazieren zu gehen. Die Bedingungen: das Kind darf keine Parks oder Spielplätze betreten. Es darf allerdings ein Spielzeug mitnehmen (aktuell gehen wir davon aus, dass das Fahrräder und Roller mit einschließt). Der Spaziergang darf höchstens 1 Stunde dauern (Zeit: zwischen 9:00 und 21:00 Uhr) und nur 1km im Umkreis um das eigene Zuhause stattfinden. Mehr dazu in unserem Leitfaden.

Dieser lange herbeigesehnten Entscheidung geht ein regelrechter Zickzackkurs der spanischen Regierung voraus, die in der Corona-Krise stellenweise leicht orientierungslos wirkt. Wie im obigen Abschnitt deutlich wird, ist auch die Kommunikation oft nicht eindeutig, so dass die Bürger mit einem stetigen Gefühl der Unsicherheit leben müssen.

Die Unzufriedenheit mit der Regierung ist spürbar: anstelle des allabendlichen Klatschens, das sich seit Beginn der Ausgangssperre als beliebtes Ritual in der spanischen Bevölkerung etabliert hatte, gab es vermehrt Aufrufe zur sogenannten Cacerolazo (eine Protestform, bei der minutenlang auf Töpfe geschlagen wird), dem je nach Region unterschiedlich stark gefolgt wurde. Auslöser war die stark kritisierte Entscheidung der Regierung um Ministerpräsident Pedro Sánchez, Gesundheitsminister Salvador Illa und Podemos-Vorsitzenden Pablo Iglesias, Spaziergänge an der freien Luft weiterhin zu untersagen und es den Kindern und Eltern stattdessen zu erlauben, gemeinsam in Supermärkten einkaufen zu gehen.

Zahlreiche Fachleute kritisierten diese Entscheidung heftig, besteht doch in einem Supermarkt ein vielfach höheres Ansteckungsrisiko als bei einem Spaziergang an der frischen Luft. So sprach etwa Quim Tora, der Präsident im teilautonomen Katalonien, von einer absurden Entscheidung seitens der Madrider Regierung, die sich aufgrund der massiven Kritik in der Bevölkerung dazu gezwungen sah, den ursprünglichen Beschluss zu revidieren und die nun ab Sonntag gültige Lockerung der Ausgangsbeschränkungen zu veranlassen.

Dieses alles andere als souveräne Krisenmanagement reiht sich ein in eine Reihe fragwürdiger Entscheidungen. So erntete die Regierung bereits heftige Kritik dafür, dass man bereits vor zwei Wochen – ohne Rücksprache mit einem Expertenteam – durchgesetzt hatte, dass Erwachsene wieder zur Arbeit gehen müssen. Ferner wird Gesundheitsminister Illa vorgeworfen, bei der Prävention einer etwaigen Pandemie völlig versagt zu haben. Außerdem habe die Regierung in Madrid die Gefahr des Virus lange Zeit unterschätzt und deutlich zu spät die nun gültigen Lockdown-Maßnahmen ergriffen.

Selbstverständlich muss man der Regierung zu Gute halten, dass noch Niemand in heutiger Zeit in Europa Erfahrung mit einer solchen Situation sammeln konnte. Zudem fehlen in Spanien die Mittel, um beispielsweise ausreichend ins Gesundheitssystem zu investieren. So wurde jahrelang gefeiert, dass das Gesundheitssystem im internationalen Vergleich gut abschneidet, ohne dass zeitgleich in notwendige Schutzkleidung, Masken etc. investiert wurde.

Kein Wunder also, dass die Corona-Situation in Spanien wesentlich schlimmer ausfällt als etwa im benachbarten Portugal. Die Portugiesen haben pro eine Million Einwohner lediglich 56 Corona-Tote zu verzeichnen, während Spanien mit 386 Toten pro eine Million Einwohner die Statistik in Europa anführt.