Aktuell haben wir zwei Szenarien im Kopf, wenn wir an Schusswaffengewalt an der Costa del Sol denken: zum einen der Verfall in Estepona Anfang letzter Woche. Mitglieder einer Drogenhandelsorganisation versuchten, den Sohn einer rivalisierenden Bande polnischer Nationalität zu entführen. Sie hatten keinen Erfolg, aber als Warnung schossen sie ihm ins Bein und in den Arm. Die zweite Gewalteskalation fand am Samstag in Marbella statt. Eine Gruppe britischer Freunde wollte feiern. Sie starteten schon früh mit Alkohol. Am späten Nachmittag gerieten sie in einer Kneipe in eine Schlägerei. Auf der Straße wurde einem von ihnen zweimal ins Gesicht geschossen. „Der Schütze ist ein alter Bekannter, ein Dealer“, sagt ein Beamter der Policía Nacional. „Einen solchen Vorfall gab es im letzten Monat noch weitere drei Mal. Es ist völlig entfesselt: Waffen und böse Menschen,“ sagt er, der bereits einiges an Erfahrung auf diesem Gebiet sammeln durfte.

Beide Opfer überlebten, aber das ist nicht immer der Fall. Marbella, Estepona und die nahe gelegenen Städte sind zum Tummelplatz für Drogenbanden geworden. In der Anonymität ihrer Urbanisationen sind diese kriminellen Gruppen stark geworden. Und es sind ihre Straßen, in denen sie ihre Konflikte mit Schüssen lösen. Seit 2018 haben die Behörden etwa zwanzig Todesfälle an den 60 Kilometern Küstenlinie der Costa del Sol registriert.

Besonders blutig war es im vergangenen Herbst: hier kam es zu Vorfällen mit Sprengsätzen, Entführungen und Hinrichtungen durch Kopfschuss, wie El País berichtet. Sogar Schnellfeuerwaffen kamen zum Einsatz. Hinzu kommen lokale Gewalttätigkeiten, wie ein Raubüberfall, bei dem ein Mann in den Hinterkopf geschossen wurde. Auf wundersame Weise überlebte auch er.

Polizeiexperten sind von den Geschehnissen an der Costa del Sol nicht überrascht. Wenn das Klima, die Lebensqualität und die guten Verkehrsverbindungen der Region für jedermann attraktiv sind, dann erst recht für Drogenhändler. Sie haben auch die Möglichkeit, große Geldbeträge in einem Gebiet auszugeben, in dem Luxus unbemerkt bleibt.

Und die Szene entwickelt sich weiter. Es kommen neue Akteure dazu. Immer mehr Organisationen suchen in Málaga nach millionenschweren Geschäften, die auf zwei Pfeilern basieren: dem Haschischhandel, dank der Nähe zu Marokko und einer breiten Küste zum Schmuggeln; und Marihuanaanbau, mit einem perfekten Klima und einer gebirgigen Geographie, die ideal ist, um Plantagen zu verstecken. Das Sahnehäubchen für Kriminelle: ein starkes Netzwerk von Experten. An der Costa del Sol findet man Profis für Autodiebstahl, den Vertrieb von Drogen, Auftragskiller und weitere „Dienstleistungen“ auf diesem Gebiet.

Das Innenministerium schätzt, dass mehr als hundert Organisationen vieler Nationalitäten an der Costa del Sol arbeiten. Und ihre Bewaffnung steigt stetig an. Seit 2019 gibt es eine Spezialeinheit (Einheit für Drogen und organisierte Kriminalität – UDYCO) an der Costa del Sol, die aus sehr erfahrenen Ermittlern besteht und speziell für diese Küstengegend zuständig ist.

Die Bevölkerung scheint an die Vorfälle gewöhnt zu sein. Selten trifft man auf Personen, die sagen, das sie Angst haben oder dass die Gegend zum Wohnen zu unsicher ist. Auch aus den Rathäuser der Stadt hört man das. In den beiden wichtigsten Städten, Estepona und Marbella, wird man nicht müde zu sagen, dass die Städte sicher sind. Wenn auch mehr Mittel zur Bekämpfung der Kriminalität gefordert werden. Die Stadt Estepona tat dies letzte Woche in einer Sitzung des Lokalen Sicherheitsausschusses in Anwesenheit der Unterdelegation der Regierung, an die der Bürgermeister, José María García Urbano, mit der Bitte herantrat, „dieses Gebiet der Provinz mit mehr Sicherheitsmitteln zu stärken“. Dies ist die gleiche Bitte, die die Bürgermeisterin von Marbella, Ángeles Muñoz, inmitten der Mordwelle im vergangenen Herbst vorgebracht hat. Foto: Junta de Andalucía: flickr.com