Die linke Regierung Spaniens will die Suche nach Zehntausenden anonym verscharrten Opfern der Franco-Diktatur zur Staatspflicht erheben. Das ist einer der wichtigsten Punkte des Entwurfs eines «Gesetzes des Demokratischen Andenkens», der am Dienstag vom Ministerrat in Madrid gebilligt wurde. Man werde dank dieser Initiative «mit der Vergangenheit Frieden schließen» können und zum «Aufbau der Zukunft» beitragen, sagte die stellvertretende Ministerpräsidentin Carmen Calvo vor Journalisten.

Die Zahl der verschwundenen Opfer des Bürgerkriegs (1936-1939) und der Diktatur von Francisco Franco (1939-1975) wird von Experten und Angehörigenverbänden auf mindestens 100 000 bis 150 000 geschätzt. Einige behaupten, die Zahl könne viel höher liegen. Erst Mitte bis Ende der 1990er Jahre hatten Bürgerinitiativen auf eigene Faust mit der Suche nach Diktaturopfern begonnen. Einige Gemeinden und Provinzen begannen dann vor wenigen Jahren, diese Aktivitäten finanziell zu unterstützen. Seit dem Jahr 2000 wurden rund 700 Massengräber mit mehr als 8000 Opfern entdeckt und geöffnet.

Die Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez hofft, dass das neue Gesetz in der ersten Hälfte des nächsten Jahres vom Parlament verabschiedet wird und in Kraft tritt. In einem ersten «Vierjahres-Plan» sind 450 000 Euro zur Exhumierung von 20 000 bis 25 000 Opfern der Diktatur vorgesehen. Das neue Gesetz sieht unter anderem Strafen von bis zu 150 000 Euro wegen Verherrlichung der Diktatur und anderer Verstöße vor. Es erlaubt zudem Untersuchungen von Verletzungen der Menschenrechte während Francos Gewaltherrschaft. Nach Meinung vieler kollidiert das mit dem Amnestiegesetz von 1977.

Die neuen Beschlüsse gehen viel weiter als das «Gesetz des Historischen Andenkens» von 2007, das den Umgang mit Denkmälern der Diktatur geregelt und einige Rechte der Opfer anerkannt hatte. Eine echte Aufarbeitung der Vergangenheit, der Unterdrückung großer Bevölkerungsteile, hat es in Spanien bis heute nicht gegeben. Als die linke Regierung im Oktober vorigen Jahres im riesigen Mausoleum im sogenannten Tal der Gefallenen nordwestlich von Madrid den Leichnam Francos exhumierte und in ein Familiengrab umbettete, gab es viele Proteste. Konservative Parteien und Medien sprachen von «Revanchismus». Madrid will den einstigen Pilgerort von Rechtsextremen in einen «Ort der Versöhnung» verwandeln. (dpa – Foto: Jesús Hellín/EUROPA PRESS/dpa)