Die Coronakrise hat die Welt im Griff. Doch nicht nur die direkte Bedrohung durch den Virus, auch Kollateralschäden für Wirtschaft und Bevölkerung sind zu erwarten. Aktuell drängt sich gerade im strikt abgeriegelten Spanien eine Frage auf: welche Auswirkungen hat eine von der spanischen Regierung auferlegte Isolation für die körperliche und vor allem psychische Gesundheit der Menschen?

Ganz gewiss stellt die in Folge der Corona-Ausbreitung auferlegte Quarantäne eine große Herausforderung, sei es im sozialen, finanziellen oder kulturellen Bereich dar. Dies gilt für alle und ist grundsätzlich aus medizinischer Sicht nachvollziehbar, wenn man das Ziel vor Augen führt, welches eine Reduzierung der Fallzahlen anpeilt.

Die von der Krise besonders gebeutelten Spanier verlegen ihren Lebensmittelpunkt – ähnlich wie dies weite Teile des europäischen Kontinents in mehr oder weniger starker Ausführung trifft – fortan in die eigenen vier Wände. Hier beginnt bereits die erste Besonderheit und Tragik: Spanien als sonnenverwöhnter Staat, kennt im Vergleich zu manch nordeuropäischem Land, fast ausschließlich das Leben unter freiem Himmel. Diese aus geographischer Lage und kultureller Veranlagung resultierende Tatsache trägt zu einem besonders gravierenden Einschnitt in das Alltagsleben vieler Iberer bei.

Und das nächste Problem lässt nicht lange auf sich warten: Spanien ist eines dieser Länder, welche gehäuft mehrere Generationen unter einem Dach vereint. Von Enkel, Mutter, Vater, Großvater bis hin zur Tante oder Schwiegermutter finden sich nicht selten echte Großfamilien in einer Wohnung oder Gebäudekomplex wieder. Diese große Anzahl von Menschen ist es, welche Schwierigkeiten auf Dauer unabhängig von sozialen Strukturen kompliziert werden lässt: Lärm, Unzufriedenheit, Meinungsverschiedenheiten und sei es nur der Streit um das Fernsehprogramm können unter wochen- oder gar monatelanger Quarantäne ernsthafte seelische Sorgen auslösen. Im Extremfall bis hin zu Depressionen und Angstzuständen, welche gekoppelt mit den wirtschaftlichen Sorgen vieler Familien zu echten Existenzängsten oder Suizid führen können.

Insbesondere das subjektive Gefühl der Ohnmacht und die ungewisse Zukunft in Bezug auf sämtliche sozialen und wirtschaftlichen Folgeschäden dieser Pandemie schürt Ängste. Kann die daraus entstehende Frustration, welche natürlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich stark variiert, nicht abgebaut werden in Form von Bewegung, Sport oder anderen aktiven Tätigkeiten, so verstärken sich diese Aggressionen mehr und mehr und es fällt einem sprichwörtlich „die Decke auf den Kopf“.

Ein Teufelskreis, wenn man bedenkt, dass weder Regierungen, noch Mediziner den exakten Verlauf der Pandemie vorhersagen können. Was wiederum die Machtlosigkeit der ganzen Welt ganz gut vor Augen führt. Wir haben es mit einer Sache zu tun, die ganz offensichtlich größer und mächtiger ist, als wir selbst. Nur wer mit dieser Tatsache auch seelisch umgehen kann, eine Akzeptanz der temporären Isolation bereit ist einzugehen, kann auch seelisch gesund bleiben.

Häufig möchte man einer Krise etwas positives abgewinnen. Angesichts der dramatischen gesundheitlichen Lage Spaniens klingt diese Hoffnung eher zynisch als erstrebenswert. Und eben jenes Stichwort der „Hoffnung“ ist es auch, das uns trotz allem Schmerz verbindet. Sie ist es, welche aus einer Krise führt und den Menschen am Leben hält. Schwindet die Hoffnung, dann hat die Krise nicht nur humanitären und wirtschaftlichen Schaden angerichtet, sondern zugleich Lebensfreude zerstört. Der unsichtbare Feind hätte gesiegt und mit ihm würde sich die Gesellschaft verändern.

Dies tut sie in jedem Fall, doch nicht nur die Menschen in Spanien haben es – vor allem in Hinblick auf die persönliche Einstellung mit dieser Krise – ein Stück weit in der eigenen Hand, wo die Reise hinführt.