Die Coronavirus-Pandemie hat alle Volkswirtschaften der Welt erschüttert. Einige haben den Rückschlag besser überstanden als andere. Doch die spanische Wirtschaft und ihr überdimensionaler Tourismussektor sind einer der größten Verlierer der Corona-Krise.

Gerade der internationale Tourismus hat entscheidend dazu beigetragen, Spanien aus der Wirtschaftskrise 2009-2012 zu befreien. Doch genau diese Situation schafft eine besonders große Abhängigkeit, wie die Corona-Pandemie und der ergo ausbleibende Tourismus derzeit verdeutlicht. So wird es angesichts der Anzeichen einer Stagnation im Tourismussektor wohl dringend notwendig, eine Alternative zu finden.

Risikogebiet Mittelmeerküste

Das Gesundheitsministerium im Land Spanien meldet Mitte August 2020 rund 3.000 Neuinfektionen täglich. Andalusien verzeichnet hierbei 36,91 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner. Somit liegt Andalusien auf Platz vier der spanischen Statistik. Die Hotspots hierbei sind Almería, Roquetas de Mar, El Ejido, Málaga und Marbella. Die Folge davon: Deutschland und andere Europäische Staaten haben das gesamte Land Spanien zum Risikogebiet erklärt.



Doch woran mögen die steigenden Zahlen liegen? Immerhin ist Spanien eines der europäischen Länder, in dem die höchsten Sicherheitsmaßnahmen seit Beginn der Corona-Krise galten und gelten. Der Lockdown im Land dauerte ganze drei Monate an. Die Einführung in ein verhältnismäßig normales Leben wurde stufenweise wieder angepasst. Ging man zu Beginn der Pandemie noch davon aus, dass die Hitze dem Virus trotzt, findet sich auch weiterhin keine Lösung, das Fortschreiten an Neuinfektionen einzudämmen. Höchste Sicherheitskontrollen, Maskenpflicht, Hygieneregeln und Sicherheitsabstände, neuerdings auch Rauchverbot und Versammlungsverbot werden wohl in kaum einem anderen europäischen Land so strikt eingehalten wie in Spanien. Was also ist der Auslöser für den rasanten Anstieg in der Urlaubszeit? Möglicherweise ist es die Lebensweise der Landsleute. Nicht umsonst gilt Spanien als ein geselliges und familienfreundliches Land. Viele Neuinfektionen sind demnach auf Familienfeiern zurückzuführen. Aber auch die Touristen tun ihr Übriges: so haben insbesondere Bilder von der Partyhochburg Mallorca in Spanien und im Rest Europas für Unverständnis und Ärger gesorgt.

Niedriges Einkommen als Schattenseite zum Tourismus

Das Gewicht, das der Tourismus in der spanischen Gesellschaft erlangt hat, ist unbestreitbar. Aus diesem Grund sind Ideen wie „Tourismus schafft Wohlstand“ tief verwurzelt. Heute trägt der Tourismussektor 11% zum Bruttoinlandsprodukt und 13% zur Beschäftigung in Spanien bei. Aber dieser theoretische Wohlstand spiegelt sich nicht im täglichen Leben wider, weder in wirtschaftlicher noch in ökologischer Hinsicht, geschweige denn in sozialer Hinsicht. Denn in sozialer Hinsicht hat der Tourismus bereits in seiner 100% funktionalen Version weder gut verteilten Wohlstand noch hochwertige Arbeitsplätze geschaffen. Auch sind die Arbeitsplätze weniger stabil und die Löhne im Vergleich zum Industriesektor 20-25% niedriger. Zudem gilt Spanien als das Land in der Eurozone mit dem höchsten Anteil an Zeitarbeitern im Tourismussektor.

Rettungsanker Umdenken

Die Pandemie hat die Notwendigkeit grundlegender Versorgungsketten zur Bewältigung der Zukunft deutlich gemacht. Länder wie Deutschland, Norwegen oder Finnland sind mit einem Anteil der Industrie an ihrem Bruttoinlandsprodukt von über 20% Vorreiter für Widerstandsfähigkeit und Wohlergehen von Industriegesellschaften. Im Vergleich zum Tourismussektor ist die Industrie ein Motor für Forschung, Entwicklung, Innovation und Technologie. So investiert beispielsweise in Spanien die Industrie nur 2,1% ihrer Bruttowertschöpfung. Daher sollte ein entscheidender Sektor für die Zukunft der spanischen Wirtschaft eben jene die Forschung, Entwicklung und Innovation sein. Die Corona-Krise zeigt gerade in Spanien auf, wie wichtig es ist, neue Produkte zu generieren und zu exportieren, um das Gleichgewicht, das jetzt mit dem fehlenden Tourismus verloren geht, wieder herzustellen.