Die Abteilung für Kultur und historisches Erbe, geleitet von Patricia del Pozo, erinnert an den zehnten Jahrestag der Erklärung des Flamencos zum Weltkulturerbe. Das Zwischenstaatliche Komitee der UNESCO, das am 16. November 2010 in Nairobi (Kenia) tagte, nahm den Flamenco in die repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit auf. Über die Tatsache hinaus, dass er bereits international bekannt – und anerkannt – war, eröffnete die von der Kulturorganisation der UNO verliehene Auszeichnung der Kunstform eine erhöhte Reichweite in Regionen, in denen der Flamenco noch nicht bekannt und seiner Tiefe und Bedeutung entsprechend erkannt wurde.

Ein Jahrzehnt nach diesem Ereignis – „dem Tag, an dem der Flamenco zum Vermächtnis der Menschheit wurde“, wie es der sehr vermisste Enrique Morente formulierte – ist die UNESCO-Auszeichnung heute ein starker Antrieb, den Flamenco als grundlegendes Element der andalusischen Kultur voranzutreiben und zu stärken, wie es im Autonomiestatut ausdrücklich formuliert wurde. „Die Flamenco-Kultur zeigt uns als Volk, seine Künstler lehren die Wurzeln der Kultur, um sie universell begreifbar zu machen“, so die Pressemeldung auf der Website der Junta de Andalucía.

Weiter heißt es in der Meldung der Junta: „Schon vor der Anerkennung durch die UNESCO war der Flamenco eine unnachahmliche Kunst, unbestreitbar, reich an Geschichte und Erbe, an kulturellen und anthropologischen Wurzeln, bewundert aus literarischer, choreographischer und musikalischer Sicht, die keine Grenzen kannte. (…) Um die Relevanz und Bedeutung des Flamenco zu erfassen, muss man sich an seine Protagonisten wenden: die Künstler. Dank der Arbeit und der Beiträge seiner Schöpfer – der großen Persönlichkeiten, aber auch der unbekannteren Interpreten – zum gemeinsamen Flamenco-Erbe sind Gesang, Gitarrenspiel und Tanz auf den Bühnen von Tokio, New York oder Sydney zu sehen und zu hören. (…) Die Anerkennung durch die Unesco verstärkt das Engagement der andalusischen Regionalregierung für den Flamenco. Der Flamenco, universeller denn je, ist die Nahrung unserer Leidenschaft. Im kommenden Jahr wird es einen Gesetzesentwurf zur Stärkung des Flamenco in Andalusien geben.“ Foto: Jo Kassis

Flamenco: Geschichte und Gegenwart

Flamenco ist Leidenschaft und Temperament

Das große Herz des Flamenco schlägt im hitzeflirrenden Andalusien. Cante Jondo, der raue, kehlige Gesang ist seine Seele. Sie wurde aus dem Zusammentreffen unterschiedlicher Kulturen im tiefen Süden der Iberischen Halbinsel heraus geboren. Die musikalischen Traditionen, die die Gitanos aus dem weit entfernten Indien im 15. Jahrhundert mit in das Spanien von El César Carlos und Philipp II. brachten, vermischten sich dort mit den liturgischen Trauerliedern der Separden und den orientalischen Gesängen der Mauren. Dazu gesellte sich außerdem das altspanische Liedgut der Christen.
Cante, der markante Gesang, ist immer schon tonangebend. Die Frauen tanzen dazu, begleitet vom Klatschen der Handflächen, vom Tischklopfen oder vom Fingerschnalzen. Die Gitarrenbegleitung und der Tanz sind dem Gesang eigentlich nachgeordnet – aber ohne sie hätte der Flamenco wohl kaum den Sprung auf die große Bühne schaffen können.
Flamenco steht bis heute für Temperament und tiefe Leidenschaft. Er geht durch Mark und Bein, wenn er aus dem tiefsten Inneren der Seele kommt. Dann nimmt der dämonische Duende von allen Besitz, die sich dem Flamenco ergeben.

Flamenco: die Offenbarung

So ist der Flamenco eine Offenbarung. Er lässt die Geschichte der Gitanos deutlich werden, die von Leid und Ausgrenzung gekennzeichnet ist. Deshalb kochen die Emotionen hoch in den Tablaos, den Flamenco-Lokalen in Sevilla und in Granadas berühmten Sacromonte-Höhlen. Hier gibt es hervorragende Shows technisch versierter Künstlerinnen und Künstler. Den wahren Flamenco kann man allerdings nicht buchen – vielmehr findet man ihn anlässlich der altehrwürdigen Feierlichkeiten der Semana Santa mit ihren prunkvollen und pathetischen Prozessionen, während der ausgelassenen Frühlingsferias oder am Rand der zahlreichen anderen Volksfeste. Also überall dort, wo die Menschen zusammenkommen, um den Flamenco zu zelebrieren.
Obwohl der Flamenco bereits ein Jahrzehnt schon zum immateriellen Weltkulturerbe gehört, wurden die Musik und die Tänzerinnen in ihren rot-schwarz gepunkteten Kostümen außerhalb Spaniens lange Zeit als pure Folklore betrachtet. Erst in den letzten Jahren entwickelte sich der neue, der Nuevo Flamenco rasant.

Neuer Flamenco mit traditionellen Wurzeln

Der Nuevo Flamenco ist ein Derivat des traditionellen Flamenco. Er kombiniert virtuose Flamenco-Gitarren mit einer oft rauschhaften Fusion aus Bossa Nova, Rumba, Jazz, Gipsy, Middle Eastern, Rock, Tango, kubanischem Swing und anderen Musikstilen. Besonders Blues-Elemente werden von den Protagonisten eingesetzt, um einen neuen Flamenco-Sound zu kreieren. Künstlerische Vorarbeit leisteten Camarón de la Isla, Paco de Lucía, Tomatito, Ketama, Pata Negra und Mainstream-Stylisten wie Gipsy Kings. Als besonders erfolgreich gilt die Sängerin Rosalía. Sie erreicht heute eine immense Popularität mit dem Nuevo Flamenco, der seine tiefgehenden Wurzeln im klassischen Flamenco hat.